Zum Inhalt springen

Lösung bei Trauma: Titration

Von der Last zur Leichtigkeit: Wie Titration bei Stress und Trauma den Weg zur Heilung ebnet

In unserer schnelllebigen und oft fordernden Welt sind Belastungen und Stress für viele Menschen alltägliche Begleiter. Manchmal jedoch übersteigt das Erlebte die Grenzen dessen, was wir als normalen Stress bezeichnen würden. Intensive, überwältigende Ereignisse oder lang anhaltende, zermürbende Umstände können tiefe Wunden in unserer Seele und unserem Nervensystem hinterlassen – wir sprechen dann von Trauma. Doch auch wenn der Weg zurück ins Gleichgewicht steinig erscheinen mag, gibt es sanfte und wirkungsvolle Methoden, die uns helfen können, diese Lasten zu verarbeiten und wieder zu innerer Stärke und Ruhe zu finden. Eine dieser Methoden ist die Titration.

Was unterscheidet Trauma von alltäglichem Stress?

Jeder kennt Stress: eine wichtige Prüfung, ein Streit, Termindruck. Unser Körper reagiert darauf, mobilisiert Energie und kehrt danach meist wieder in einen entspannten Zustand zurück. Ein Trauma hingegen entsteht, wenn ein Ereignis oder eine Serie von Ereignissen uns so sehr überfordert, dass unser Nervensystem diese Erfahrung nicht mehr adäquat verarbeiten und integrieren kann. Es ist das Gefühl von „zu viel, zu schnell, zu plötzlich“, das uns hilflos und tief erschüttert zurücklässt.

Das traumatische Erleben – sei es ein Unfall, ein Verlust, Gewalt oder auch subtilere, aber anhaltende Verletzungen – wird im Körper und im Nervensystem gespeichert. Auch wenn wir uns intellektuell davon distanzieren wollen, bleiben oft unbewusste Reaktionen, Ängste, Anspannung oder ein Gefühl der Entfremdung zurück. Das Nervensystem verharrt quasi in einem Alarmzustand oder einer tiefen Erschöpfung.

Die Herausforderung: Direkte Konfrontation kann überwältigen

Der verständliche Wunsch, das Schlimme „hinter sich zu lassen“, führt manchmal zu dem Impuls, sich dem Trauma direkt und mit aller Kraft zu stellen. Doch hier ist Vorsicht geboten. Eine zu schnelle oder zu intensive Konfrontation mit dem traumatischen Material kann das bereits überlastete Nervensystem erneut überfordern und zu einer Retraumatisierung führen. Es ist, als würde man versuchen, eine schwere Tür mit Gewalt aufzustoßen, die sich nur langsam und behutsam öffnen lässt.

Titration: Der sanfte Weg der kleinen Schritte

Hier kommt das Prinzip der Titration ins Spiel, ein Begriff, der ursprünglich aus der Chemie stammt. Dort beschreibt er das langsame, tropfenweise Hinzufügen einer Substanz zu einer anderen, um eine Reaktion kontrolliert und schrittweise herbeizuführen. In der Traumatherapie bedeutet Titration, sich dem traumatischen Erleben und den damit verbundenen Körperempfindungen, Emotionen und Gedanken in sehr kleinen, gut dosierten Schritten anzunähern.

Wie funktioniert Titration in der Praxis?

Stell Dir vor, Du möchtest ein sehr heißes Bad einlassen. Du würdest nicht sofort komplett hineinspringen, sondern langsam erst einen Fuß, dann das Bein und so weiter an die Temperatur gewöhnen. Ähnlich verhält es sich bei der Titration in der Traumatherapie:

  1. Ressourcenstärkung: Zunächst geht es darum, Stabilität und Sicherheit im Hier und Jetzt zu finden. Wir erkunden gemeinsam, was Dir guttut, was Dir Kraft gibt und wo Du Dich sicher fühlst. Diese Ressourcen sind Dein Anker.
  2. Behutsame Annäherung: Statt direkt in den Kern des Traumas einzutauchen, nähern wir uns dem belastenden Material nur ganz kurz und in kleinen Dosen. Das kann eine flüchtige Erinnerung, eine leichte Körperempfindung oder ein Gedanke sein.
  3. Pendeln: Entscheidend ist das sogenannte „Pendeln“. Nachdem wir kurz Kontakt mit dem belastenden Aspekt hatten, lenken wir die Aufmerksamkeit bewusst wieder zurück zu den angenehmen, neutralen oder stärkenden Empfindungen und Ressourcen. Wie ein Pendel schwingen wir zwischen einer kleinen Dosis der Belastung und der Sicherheit und Entspannung.
  4. Integration und Entladung: Durch dieses sanfte Pendeln bekommt das Nervensystem die Chance, die blockierte Energie und die gespeicherten Stressreaktionen in kleinen, verdaulichen Portionen zu entladen und zu integrieren. Anspannung kann nachlassen, neue, positive Erfahrungen können gemacht und im Nervensystem verankert werden.

Beispiele für Titration im therapeutischen Prozess:

  • Frau A. hat nach einem Sturz mit dem Fahrrad große Angst, wieder aufzusteigen. In der Therapie könnte sie zunächst nur daran denken, das Fahrrad anzusehen. Wenn das ohne große Überforderung gelingt, könnte der nächste Schritt sein, das Fahrrad tatsächlich anzusehen, dann es zu berühren, sich danebenzustellen usw. Jeder Schritt wird nur so weit gegangen, wie er sich noch bewältigbar anfühlt, immer wieder unterbrochen von Phasen der Entspannung und des Spürens von Sicherheit im Körper.
  • Herr B. fühlt sich oft von lauten Geräuschen und plötzlichen Bewegungen stark gestresst, seit er Zeuge eines heftigen Streits wurde. In der Titration könnte er lernen, die beginnende Anspannung im Körper bei einem leisen, kontrollierten Geräusch wahrzunehmen, diese minimale Anspannung kurz zu halten und dann aktiv wieder in einen entspannten Zustand zu finden, beispielsweise durch eine Atemübung oder die Konzentration auf einen sicheren Ort in seiner Vorstellung.

Die Vorteile der Titration:

  • Vermeidung von Überwältigung: Die Dosis macht das Gift – und bei der Titration ist die Dosis bewusst klein.
  • Stärkung der Selbstregulation: Du lernst, Deine eigenen Reaktionen besser wahrzunehmen und zu beeinflussen.
  • Aufbau von Resilienz: Mit jedem erfolgreich gemeisterten kleinen Schritt wächst das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, mit schwierigen Gefühlen umzugehen.
  • Nachhaltige Integration: Das Trauma wird nicht „weggemacht“, sondern behutsam in die Lebensgeschichte integriert, sodass es seine bedrohliche Macht verliert.
  • Mehr Sicherheit und Lebensqualität: Ziel ist es, dass Du Dich in Deinem Körper wieder sicher fühlst und das Leben freier gestalten kannst.

Ein Weg, der sich lohnt

Die Arbeit mit Trauma braucht Zeit, Geduld und einen achtsamen Umgang. Die Titration ist ein respektvoller und effektiver Ansatz, der es ermöglicht, auch tiefe Verletzungen Schicht für Schicht abzutragen und dem Nervensystem zu helfen, wieder in sein natürliches Gleichgewicht zu finden. Wenn Du Dich von Belastungen oder traumatischen Erfahrungen erdrückt fühlst, wisse, dass es sanfte Wege gibt, die Last zu erleichtern und neue Lebensfreude zu gewinnen.

Im Rubin-Institut begleiten wir Dich gerne auf diesem Weg. Sprich uns an, wenn Du mehr über diesen oder andere Ansätze der Traumatherapie erfahren möchtest.

Ein guter Ansatz geht auch über unsere Somatic Release Ausbildungen