Es ist schwer zu glauben, aber die meisten Muster haben wir von unseren Eltern aus Liebe übernommen. Auch die ungeliebten Muster. Auch wenn wir nicht geliebt wurden. Denn das Kind, das wir waren, wollte – oder musste – geliebt werden, um überleben zu können. Und dafür tat es alles. Es passte sich in den jungen Jahren an und später begann es dann zu kompensieren. Die eigenen Muster oder die der Eltern.
Ein Kind, das sieht, das die Mutter hilflos der Gewalt des Vaters ausgesetzt wird, kann aus Liebe das Muster der Mutter aufnehmen oder aus Liebe zur Kämpferin gegen die Gewalt werden und dabei hart und nicht mehr zugänglich. Auch ein Kind, das zu viel Liebe bekommt, kann seine Entwicklung hin zu mehr Eigenständigkeit nicht genügend leben und wird daher auch das gleiche Muster wie die Mutter übernehmen.
Bindung als fühlbares Element
Der Grund dafür ist immer in der Bindung zu finden. Dies könnte man vereinfacht als hormonelle Bindung über das Oxytocin deklarieren, aber für uns Aufsteller ist es mehr. Es ist die Bindung, die durch die Gene vorgegeben und durch gemeinsames Erleben erschaffen wird. Diese Bindung ist spürbar, greifbar und veränderbar. Sie ist das Band, das uns an Menschen kettet und jede Bewegung des Anderen lässt auch uns selbst in Bewegung kommen. Je näher desto intensiver. Und da verwundert es nicht, dass die Hauptbindungen auch die prägenden Bindungen sind. Vater, Mutter und Geschwister. Und meist auch in dieser Reihenfolge.
Wissenschaft: „Frozen Face“ Experiment
Babys sind darauf angewiesen, dass die Mutter mit ihrem Gesicht auf sie reagiert. Wenn die Mutter im Gesicht keine Reaktion auf das Baby zeigt, wird es misstrauisch, unruhig, ängstlich und verzweifelt. Bis hin zum gleichen Zustand wie die Mutter. Das Kind wird auch apathisch. Das lässt sich leicht in Experimenten nachweisen. Erfunden wurde das „Still Face Experiment“ 1978 von dem Entwicklungspsychologen Edward Tronick, University of Massachusetts, USA.[i]
Dieses Experiment wurde in 5 Minuten durchgeführt und durch die Zuneigung der Mutter nach dem Experiment verschwand die Angst. Allerdings wollte das Kind den Übungsraum später nicht mehr betreten und wurde unruhig, wenn es in die Nähe kam- Wenn man sich jetzt vorstellt, was passiert, wenn eine Mutter in der Depression ist oder eine dissoziative Störung hat, dann ist die Wirkung und die Übernahme des Musters vorhersehbar.
Zum Glück nimmt mit zunehmenden Alter des Kindes auch die Fähigkeit des Denkens zu und der Mensch kann kompensieren und alternative Lösungen finden. Doch meist ist auch die Kompensation nicht die Erfüllung, sondern nur eine ausweichende Lösung, die auch wieder Probleme nach sich zieht.
[i] Siehe Youtube Video : https://youtu.be/apzXGEbZht0