Das Window of Tolerance ist ein Konzept aus der Traumatherapie, das beschreibt, in welchem Zustand sich das Nervensystem einer Person in einer angenehmen und aushaltbaren Art und Weise bewegt. Wenn wir uns innerhalb dieses Toleranzfensters befinden, fühlen wir uns in der Regel ausgeglichen und im Einklang mit uns selbst. Sobald wir jedoch außerhalb dieses Fensters geraten, können verschiedene unangenehme Empfindungen auftreten, wie zum Beispiel Nervosität, Aufregung oder Depression.
Ein Zustand der Übererregung wird auch als Hyper-Arousal (übererregt) bezeichnet, während ein Zustand von Erschöpfung und Depression als Hypo-Arousal (untererregt) bezeichnet wird. Das Ziel der Traumastabilisierung besteht darin, dem Patienten dabei zu helfen, wieder in sein Toleranzfenster zurückzukehren, indem er Techniken erlernt, um seine Emotionen zu regulieren und seine Erregungsniveaus zu kontrollieren. Das Window of Tolerance ist daher ein wichtiger Grundbegriff für die Traumatherapie und ein zentraler Aspekt für die Behandlung von Traumafolgestörungen.
Das Window of Tolerance ist eng mit der Polyvagaltheorie verbunden, da es ein Konzept ist, das sich auf die Regulation des autonomen Nervensystems bezieht. Die Polyvagaltheorie nach Stephen Porges besagt, dass unser Nervensystem auf Bedrohungen und Stress mit unterschiedlichen Reaktionen reagiert, die von der Aktivität des Vagusnervs abhängen.
Wenn wir uns in einem sicheren Zustand befinden, dominiert der parasympathische Nervenzweig, der für Entspannung und Erholung zuständig ist. Wenn wir jedoch Bedrohungen wahrnehmen, schaltet unser Nervensystem in einen Zustand der Übererregung um, in dem der sympathische Nervenzweig aktiviert wird und unser Körper für Kampf oder Flucht bereit ist. Wenn diese Reaktion jedoch nicht ausreicht oder anhält, kann es zu einem Zustand der Erschöpfung und Hilflosigkeit kommen, der mit dem Hypo-Arousal-Zustand des Window of Tolerance übereinstimmt.
Das Toleranzfenster
Das „Window of Tolerance“ bezieht sich also auf den Bereich der emotionalen Aktivität, den eine Person bewältigen kann, ohne in einen Zustand von Überaktivierung oder Unteraktivierung zu geraten. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr „Window of Tolerance“ eingeschränkt ist, können Sie versuchen, es wieder zu erweitern, indem Sie die folgenden Schritte unternehmen:
- Erkennen Sie Ihre aktuellen emotionalen Zustände: Identifizieren Sie, welche Emotionen Sie derzeit erleben und in welchem Ausmaß diese Emotionen vorhanden sind.
- Praktizieren Sie Achtsamkeit: Durch Achtsamkeitsübungen können Sie lernen, Ihre Emotionen zu akzeptieren und sich darauf zu konzentrieren, was in Ihrem Körper vor sich geht, ohne sich von den Emotionen überwältigen zu lassen.
- Lernen Sie wieder in Kontakt mit ihrem Körper zu kommen und aus dissoziativen Zuständen wieder in die Verbindung zum Körper zu kommen. Natur, Yoga, Schamanische Rituale sind wunderbar dafür.
- Versuchen Sie, Ihre Gedanken und Gefühle zu regulieren: Wenn Sie sich überwältigt oder überaktiviert fühlen, können Sie versuchen, Ihre Gedanken und Gefühle zu regulieren, indem Sie zum Beispiel tiefe Atemzüge nehmen oder sich auf positive Gedanken konzentrieren.
- Sorgen Sie für sich selbst: Sich um sich selbst zu kümmern, kann Ihnen helfen, Ihr „Window of Tolerance“ zu erweitern. Dazu gehören ausreichend Schlaf, eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und die Vermeidung von Suchtmitteln.
- Suchen Sie professionelle Unterstützung: Wenn Sie Schwierigkeiten haben, Ihr „Window of Tolerance“ zu erweitern, kann es hilfreich sein, professionelle Hilfe von einem Therapeuten oder Psychologen in Anspruch zu nehmen.
Der Vagus und die Polyvagal Theorie
Durch die Verbindung zwischen dem Window of Tolerance und der Polyvagaltheorie kann die Traumatherapie Techniken entwickeln, um das autonome Nervensystem zu regulieren und den Patienten dabei zu helfen, in sein Toleranzfenster zurückzukehren. Dies kann die Verwendung von Achtsamkeitsübungen, Atemtechniken und körperorientierten Therapiemethoden umfassen, die darauf abzielen, das Nervensystem in einen Zustand der Balance und Regulation zu bringen.
Hier noch ein kurzes Video zur Polyvagaltheorie ( schon ein paar Jahre alt)
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Heller, Diane und Laurence: Trauma-Lösungen. Vermeidung und Auflösung von traumatischen Erlebnissen
Rosenberg, Stanley: Der Selbstheilungs-Nerv
Deb Dana – Polyvagal in der Praxis
Steiner, Phillip: Aktiviere deinen Selbstheilungs-Nerv. Das Praxisbuch
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